Trauerweide

Ich, deine Trauerweide
Du, meine Lebensseide

Das Grün deiner herabperlenden Verästelung
streichelt weich die Sanftheit der Neckarströmung.
Ruhe; Wind, grenzenlos ja grenzenlos in seinem Flug,
verleiht deinen melancholischen Wogen demütigen Zug.

Ich schaue dich an, versinke in deine bittere Trauer;
Jedes Glück, jedes Leid, jeder durchlebte Augenblick von kurzer Dauer;
Füllst mein Innerstes mit einer Anwandlung von Seelenwehen,
gleich deiner feuchten Blätter, so wird mir bewusst, wird alles vergehen.

Versinken wirst auch du im dunklen Neckarstrom,
nimmer sein, geschlagen am Ufer, an deinem Thron.
Auch ich, Schreibender, werde nimmer sein,
in Moor verfallen, schlammig, lasterhaft, unrein,
die Weinberge durchziehend, vergehen im Neckarstrom.
Unser gestaltverlustiges Letztes wird endlich ineinander gezogen,
ohne Einheit des Organs, seelenlos, in Staub und Wirbel gestoßen.

So setz‘ ich mich heut an dein‘ rüstigen Stamm,
dann trauern wir über Zeitliches zusamm‘.
Die braune Erde zeigt: Erlösung gibt es nicht,
nur ernste, zuweilen milde Zuversicht.

Von Mesut Bayraktar, 10.April’17 / Illustriert von Lukas Schepers

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