Gestern lebte sie noch, aber sie zitterte schon
Man ahnte es und die Älteste verließ das Land ihrer Mutter
Zum Abschied zu stehen und ihr Grab
Auszugraben. Die Jüngere wollte mit, unbedingt, aber
Es ging nicht
Die Arbeit hielt sie fest, wo sie war, weit weg
Heute ist die polnische Bauersfrau tot und
Man wartet auf den Kometen
Ihr Grablied zu singen, vergeblich
Nur ein Stein, mit Schrift, frisch eingraviert
Und ein kleiner Erdbeerstrauch, versteckt auf einem Hof, hinter einem Gewächshaus
Erinnern an sie
Ihre Ehemänner, beide tot, der Erste ersoffen
Der Zweite auch gestorben. Drei Kinder blieben ihr
Aber nur eins blieb, der Jüngste, der Sohn
Der den Boden bestellt noch heute, in den auch sie ihre Hände grub
Der Sohn gründete eine eigene Familie und das Haus
Wurde kleiner. Die Töchter, beide gegangen
Sie folgten dem Ruf in die Ferne, in ein fremdes Land, wo
Die Welt kein Dorf ist und zu allen Jahreszeiten Früchte trägt, für den
Der sie pflücken kann
Die letzten Tage verbrachte die Verstorbene in einem Heim
Mit der Kälte ging sie, noch bevor die Sonne kam
Es wäre zu viel gewesen, für diese alte Frau, beinahe ein Jahrhundert alt
Was hat sie alles gesehen – Was hat sie alles nicht gesehen?
Ihr Leben war eng, als Frau geboren auf Gottes Acker
Im Zeitalter des Mannes, war ihre Arbeit
Doppelt der Männer, die ihre Zigaretten rauchten auf dem Feld, während sie half
Kochte, wusch und Kinder gebar
In den Geschichtsbüchern wird man nichts von ihr schreiben
Dabei hätte sie es verdient. Sie und unzählige Andere still entschwunden
Nach getaner Arbeit. Sie hat die Welt nicht bewegt
Sie hat eine Familie ernährt und ihren Himmel getränkt purpur
Und lila, gelegentlich mit ihrem Lachen. Und mit ihrer Mühsal
Hat sie der Erde Freundlichkeit abgerungen, wo die Erde
Nicht freundlich und der Frühling
Geizig war. Sie starb
Mit Rosenkranz in Händen, der oft und häufig schwer
Durch ihre Finger ging. Sie wälzte die Holzkugeln, tagaus
Tagein und trug sie ab. Verschlissen
Liegt die Kette jetzt mit ihr, in einem Sarg, begraben, auch
Ihre Heiterkeit. Sie starb stolz auf ihre Kinder und Enkelkinder
Sie treten ein neues Erbe an, das neue Erbe
Zu erneuern, einer weniger undankbaren Welt entgegen, die
Die Namen ihrer tüchtigsten Töchter und Mütter nicht vergisst
Und ihnen Denkmäler baut, anstatt Massengräber
Für die Nachgeborenen, die da noch kommen mögen
Heute ist die polnische Bauersfrau tot und
Man wartet auf den Kometen
Ihr Grablied zu singen, vergeblich
Text und Foto Kamil Tybel, 21. Okt,’20
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