träume von einem krokodil. man wirft mir vor, dass ich dieses krokodil gefickt hätte. ich kann mich nicht daran erinnern, ein krokodil gefickt zu haben.
dann wache ich auf und schau mir mal an, was dieses tier im schlaf zu bedeuten hat.
so ganz schlau werd ich aus diesem zustand nicht. werd ich nie mehr werden, nicht wahr? kann nur hoffen, dass ich auch diese nacht wieder vergessen werde.
dieses nicht-da-sein.
wo war ich gerade? und wo bist du gewesen, liebes gegenüber? geliebter fremdkörper.
na, als ich geschlafen hatte? wo wirst du gewesen sein, wenn du später aufwachen solltest?
goodbye my love.
mit meinen verklebten augen schleich ich mich dann in die küche. kaffee, etwas milch ist noch da, lieblingsradiosender an. also von ihm – ich mag, nein, ich kann gerade eigentlich gar nichts hören. auch keine musik. schwebt mir an den tauben ohren vorbei. ein kaltes gesicht mit leer starrenden, vertrockneten schwellaugen.
sie haben wieder einen schwulen zusammengeschlagen.
diese frechen ausländer!, klatscht die rechte in die hände, ach!
dabei war das einer von denen. so eine besoffene deutsche sau.
radio aus. das waren schon wieder genug stimmen für diesen tag.
wenn ich ans außen denke, wird mir so schlecht, dass ich die kaffeesäure ins klo spucken möchte. aber das war die letzte milch. also will ich versuchen diese eine (noch gut schmeckende) mischung zu genießen.
bitte schalt mir den tag aus, der gerade erst begonnen hat. irgendwer? nicht vom balkon springen. auch heute nicht. noch einen tag leben. noch einmal das ungleichgewicht der welt ertragen. ein letztes mal.
goodbye my love.
kaltes wasser gegen diesen niedergeschlagenen körper.
diese verstorbenen augen müssen aufwachen.
überall riecht es nach kotze, außer in meiner wohnung. ich putze sie jeden tag. ich kann unordnung nicht ertragen. klar, das kommt von meiner mutter, aber JETZT kommt es von mir, ist die scheisse in mir drin. die gelebte, die gelernte, die gedachte scheisse.
dafür hasse ich sie, aber ich lass sie trotzdem in mir weiterleben. diese zerrissenheit tut so weh. wenn ich sie in mir doch ablegen und beerdigen könnte. aber ich tu es nicht. warum eigentlich nicht? ich weiß nicht wie.
kein ritual, kein zauberspruch, kein heilstein, keine om, ja, nichtmal alkohol hat geholfen. dabei schwören alle auf alkohol.
goodbye my love.
ich öffne einen bildband und verstehe überhaupt nichts. die farben, die formen. nichts. alles ein riesengroßes hä. die namen der künstler (ja, es sind ausnahmsweise nur männer) kenne ich allesamt nicht. ich kenne nur meinen eigenen. ich kenne auch nur meinen geburtstag. ich kenne auch nur mein eigenes autokennzeichen. das ist nämlich ne mischung aus namen und geburtstag. ich gratuliere anderen, wenn ich es muss und mich mein handy daran erinnert.
ich bin ein glücklicher mensch. steht jedenfalls als testergebnis in der zeitschrift über unglückliche menschen, die ich abonniert habe.
schweineteuer das alles. ach dieses scheiss geld.
goodbye my love.
am marktplatz treff ich die nachbarin mit ihrem mann. ich mag beide ganz gern, aber sie hassen mich. ich bin ihnen zu modern, dabei hasse ich moderne menschen genauso wie sie mich hassen als modernen menschen. wieso können wir nicht einfach alle dasselbe hassen? das wäre so viel einfacher. und die problemlösung ging dann auch viel schneller. nicht mehr so viel rumdiskutieren. machen! anpacken!
gleichzeitig wäre ich am liebsten schon teil einer zukünftigen generation. wenn doch die ganzen alten leute schon tot wären. die sagen, sie seien das volk. als hätten die irgendetwas mit mir zu tun. ich bin nichts. ich kann niemand für euch sein, tut mir nicht leid.
ich will gemüse. dann kochen. alles gelogen. eigentlich will ich nur schlafen. mit meinem freund. in unserem bett. für immer.
aber der ist nun allein und träumt.
goodbye my love.
ich habe mir gerade eine dritte tasse kaffee eingeschenkt. scheisse, milch wieder vergessen. dann eben das batteriekonzentrat unverdünnt in den unterernährten körper kippen. das schmeckt widerlich, aber ohne würden die zigaretten auch widerlich schmecken. so geht immerhin eines von beiden.
ich schwitze ganz schön. die zwei gifte machen mich zittrig und nervös.
aber ich kann das schlafzimmer nicht mehr betreten, in welchem meine yogamatte liegt. zu viele tränen. zu viel hilflosigkeit. nur noch selbstgespräche und panikattacken. angst vor dem tod und gleichzeitig die sehnsucht danach – das war meine woche.
machen! anpacken!
und alles, was ich brauche, liegt im flur oder im keller. wenn der wüsste, was ich alles kann. ich. ist das wirklich mein körper? woran denke ich gerade? wie wird das nächste stückchen leben aussehen in diesem gewaltigen strom? ich bin die kanalratte und neben mir schwimmt die ganze menschenscheisse, kann das sein?
stehe vor dem spiegel und würde mir gern die haare abrasieren oder irgendsowas. mir die haut aufritzen. oder einen finger abtrennen. ich schaue mir in die augen und bete zu gott, dass ich bald bitte wieder etwas fühle.
aber gott schweigt.
immernoch.
okay.
goodbye my love.
ich hätte nie gedacht, dass ich diesen hässlichen baseballschläger mal wirklich gebrauchen könnte!, denk ich mir, während ich diesen mithilfe eines hammers in der küche mit nägeln versehe.
im hintergrund läuft one direction – das lied erzählt das, was es erzählen kann, zu denen, die eh nichts anderes verstehen würden. ich liebe die sänger aber trotzdem alle. das ist so schön, dass es dem herzen auf eine gute art und weise weh tut. da mag man das leben kurz wieder. oder man vermisst es, nicht?
ich lächle meinen totschläger stolz an.
im hintergrund die boys, die nach ihren prinzessinnen schreien. mittlerweile “live”. und die girls – keine von denen eine prinzessin – schreien zurück und one direction grinst erregt.
gaia ist ne lesbe mit saudummen söhnen aus erster ehe, versuche ich den ins mikrofon stöhnenden knaben zu erklären. keiner hört mich, naja. ich werde euren parolen nun auch nicht länger zuhören. ich will nichts mehr.
goodbye my love.
ich verliere jedes hungergefühl, während das gemüse köchelt. dann rufe ich meine eltern an und frage sie, was das alles damals sollte.
so als abschiedsversuch.
was besseres war mir nicht eingefallen. sie weinen und wissen nicht, wovon ich rede, wenn ich ihnen von dem drogenabgrund erzähle, vor dem jeder unserer familienmitglieder stand und letztendlich hineingefallen war.
ich höre doch, dass er betrunken ist. ich kann sie nicht mehr beschützen. die beschimpfungen spar ich mir diesmal.
dann fragt sie mich, was da im hintergrund läuft. mir fehlen die worte.
als würde es jetzt darum gehen. aber klar. das ist wichtiger.
dass er im koma liegt, ist ihr egal. ich lege einfach auf.
goodbye my love.
ich steig in eine karre to go. meine wut würde sonst auffallen. so etwas merken tiere, manche menschen auch. eine waffe macht die angelegenheit nicht zwingend einfacher. außerdem muss ich immer wieder anfangen zu weinen.
also eher: zu pressen. ich weiß nicht, was da noch rauskommt – ich seh es ja nicht von außen – aber es tut mir sehr weh.
schicke gegend. hier soll der wohnen? wieso denn so wütend, herr bürger? sie haben es doch ziemlich schön hier. sind wohl den luxus gewohnt. jaja. so sind wir.
wir – das ist so ne lüge. du bist nicht mehr ich, herr könig. wir leben wie frisch getrennte. es herrscht doch krieg zwischen uns – schon immer.
wer hat angefangen, hm? oder wer hört als erstes auf?
die natur – oder der mensch?
heute aber wird sich deine welt verändern. in sachen liebe mach ich keine unterschiede. wen liebt man schon mehr? oder: woran soll man den unterschied erkennen?
als ich dich das frage, brüllst du nur durchs telefon: wer ich sei, was ich getan hätte und den ganzen schmarrn. aber darum geht es jetzt gar nicht, die frage war:
WENN DU SAGST: DAS IST KEINE LIEBE (sondern eine krankheit oder perversion oder fehlerziehung oder kirche haha) – UND DANN NIMMST DU MIR DAS WEG –
DANN WILL ICH DIR NATÜRLICH BEWEISEN, DASS ER MEINE GROSSE LIEBE WAR (ist das so schwer zu verstehen? ich will ja, dass auch meine gefühle gesellschaftlich von so leuten wie dir anerkannt werden – sonst wiederholt sich das ja auf ewig und dreht sich im kreis!) –
WIE ABER SOLL ICH DIR UND DEN ANDEREN DAS JE BEWEISEN, WENN ES DOCH GEFÜHLE SIND – und so kam ich eben drauf! actio gleich re – actio.
taten sprechen lassen – so wie du.
und aus diesem grund erschlage ich jetzt deine frau und dein kind.
er schreit dann noch ein bisschen rum, heult natürlich auch. im hintergrund hört man schon, wie seine besorgten sekretärinnen fragen, ob alles in ordnung sei.
ich lass ihn dabei sein.
mal schauen, wie lange er es aushält. ich habe es damals nur kurz ausgehalten bis ich selbst ohnmächtig geworden bin.
ich sehe wie er auf meinen freund einschlägt. der hat schon fast kein gesicht mehr. weil sich zwei hände berührt hatten. deswegen hat er jetzt kein gesicht mehr und schläft seit tagen – wegen unserer hände! von jedem eine. unser reicher wutbürger und seine versoffene bande. danke für diese lektion.
ich klingel, er hört es am telefon noch.
BITTE NICHT! mimimi.
ich sage kein wort. lass taten sprechen. die tür geht auf. ganz hübschen sohn hat er eigentlich. ich seh ihn an, im flur. danach sehe ich seine frau an, in der küche. natürlich. recherche lohnt sich. natürlich sind sie zu hause gewesen, haben ihn erwartet, mich empfangen. goodbye, blöde nazibande.
beide hatten sie ganz kurz meinen schläger im gesicht stecken gehabt. das ging wahnsinnig schnell. verlief erstaunlich leise. nur das rausziehen war anstrengend gewesen. schläger und handy schmeiß ich in den fluss nebenan. eh nur eine frage der zeit bis sie mich finden und für immer einsperren.
war es das wert?
ja.
goodbye my love.
der plan änderte sich. ich will ihn sehen. und wohin geht so einer, wenn er seine liebe verliert? (karma in dem fall: eins genommen, zwei verloren – pech gehabt) wie gesagt: recherche lohnt sich. immer.
er geht natürlich ans feuer. zu seinen wölfen. und heult. heult bis er umfällt. wir sehn uns also an der theke wieder. die erste nacht hatte ich vergebens gewartet.
konnte er anscheinend auch nicht schlafen. hatte er wohl schuldgefühle. oder einfach nur todesangst. tja, was hast du erwartet?
mein freund hat kein gesicht mehr.
mein freund kann nicht mehr lächeln.
mein freund kann nicht mehr lachen.
mein freund kann mich nicht mehr küssen, weil du ihm die lippen, die zähne, den kiefer zersprengt hast.
wie kannst du überhaupt noch atmen?
ob er sich überhaupt an uns erinnern kann? an mich und den im gesichtslosen komazustand.
wie kann dein körper überhaupt noch irgendetwas für dich tun?
in der zweiten nacht aber: da kommt er rein. sieht mich kurz an, verquollene augen. der ist noch hässlicher als zuvor. traurigkeit macht dich hässlich, kleiner menschendreck.
aber er erkennt mich nicht. wie frech.
der thekentyp gibt ihm eine kleine flasche korn und ein großes bier vom fass. mein feind setzt sich genau neben mich. er starrt nur auf seine miesen getränke, die ihn noch hässlicher machen als alles andere auf der welt. thekentyp geht, fass auswechseln oder wichsen, jedenfalls ist er weg. wir beide nun alleine nebeneinander. stille. sogar gott hält die luft an. bitte, schau nur zu!
ich frag ihn, was er von schwuchteln hält. er reagiert nicht.
dann beschimpfe ich ihn. mieses naziarschloch usw. bin schon wieder in tränen aufgelöst. jetzt sind wir beide gleich hässlich.
da reagiert er, spricht aber trotzdem nicht. sondern starrt mich an.
na? ergibt das bild langsam einen sinn?
der thekentyp vom wolfsfeuer (so heißt die kneipe wirklich) ist nicht zu sehen.
wieso nicht die ganze familie? das ganze kollektive gedankengift sofort auslöschen bevor dieser spuk weitergeht. wenn die sich fortpflanzen, igitt! der sohn wäre doch genauso geworden. und die frau hatte ihn geliebt – ihn! ich hatte sie doch beobachtet.
der mörder meines freundes gibt einen stöhnenden ton von sich. klingt wie n stier. und versucht mit einem mal seinen wuchtigen körper auf mich zu schmeißen. wer hätt’s gedacht? dummer idiot. ich nutze seinen schwung, packe sein gesicht mit beiden händen und schlage es gegen das bierglas auf der theke. dann schmeiß ich die flasche korn auf seinen am boden kriechenden hinterkopf. goodbye my love. dann ist es wieder still im wolfsfeuer. goodbye my love. der thekentyp kommt. goodbye my love.
unterm strich muss ich jetzt wieder was zurückzahlen. das ist mir schon klar.
das war ein gesicht und zwei geliebte. bei mir ists ja nur ein gesicht und ein geliebter. also wieder zum fluss. die waffen ruhen lassen, das feuer, die wölfe.
alles – so wie es hier nunmal ist – in ruhe lassen.
vielleicht ist er aufgewacht oder gestern schon oder morgen. was wird das für ein leben ohne ein gesicht?
jetzt tut’s mir leid. aber ich möchte nicht mehr zurück.
das war für die menschheit.
ich stehe am wasserrand und die sirenen der straße singen für mich.
goodbye my love.
Von Daniel Noël Fleischmann, 7. April’20
Illustration von Claudia Kuhn
Zum Gastautor: Daniel Noël Fleischmann wurde 1993 in Nürnberg geboren. Er absolvierte 2019 an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, arbeitet als freischaffender Schauspieler für Film und Fernsehen, sowie am Staatstheater Stuttgart und Theater Heidelberg. Er veröffentlichte bisher drei Gedichtbände und gewann mit einem Roman den 1. Platz bei einem deutschlandweiten Schreibwettbewerb.
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