Westlich der Weichsel

,

Ich sah ein Foto. Es war geschossen
Von Robert Capa neunzehnhundert
.           achtundvierzig
Warschau festzuhalten drei Jahre
Nach Kriegsende. Es zeigt Trümmer
Geröll, Staub und Dreck, es zeigt
Toten Stein. Im Hintergrund
Kokeln Fabriken. Schwarzer Rauch
Schlängelt sich seitwärts vom Wind geblasen
.           Menschen
Sehe ich zwei. Es ist Adam
Vielleicht und es ist Eva
Die über die Trümmer des Paradieses
Hinweg zur Kirche auf
Das nächste Trümmerfeld zugehen

Ich war in Warschau und ich sah eine Stadt
Wo Capa keine sah. Die Bomben
Die fielen und sie verschlangen
Spuckten sie wieder aus. Die Altstadt
Ist abermals aufgebaut – nur alt
Ist sie nicht mehr. Die Wunde war schwer
Und sie ist schwer anzusehen, denn
Wer da starb, der wurde ermordet
Und wer da ermordet war
.           darf nicht
Vergessen werden und soll auch nicht
Umsonst gestorben sein. Capa
Wusste das und schoss ein Foto
Die Zeit anzuhalten, damit sie weitergehe


Text von Kamil Tybel, 05. Feb.’20
Foto von Robert Capa (Ausschnitt)

Westlich der Oder.jpg


Folgt uns auf Facebook: www.facebook.com/nous.literatur

%d