Vom Schneiderberuf

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Ein Schneider hat’s nicht leicht
Knifflig ist’s den Menschen richtig zu vermessen
und anzukleiden
Ein Wort passt ihm selten lange gut
Bald wird es zu eng und er kriegt schlecht Luft
Das ist kein schöner Anblick
(und macht weniger aus dem Menschen als er ist)
Oft werden sie aber auch zu groß
das geht ebenso schnell
Arme und Beine und Kopf verschwinden in einem Satz
lächerlich klein bleibt nur die Hälfte von ihm
Dann erkennt man den Menschen
auch nicht
(und macht mehr aus ihm als er ist)
Die Kleidung muss schon passen
und gut am Körper anliegen
Sie darf weder zu dünn
noch zu dick sein
Man muss sie oft und richtig abstimmen
(Das unterscheidet einen fleißigen
von einem faulen Schneider)
Man darf auch nicht zu sehr an der eigenen Arbeit hängen
Was nicht passt, wird zerschnitten
und neu und anders verwertet
Und das Wichtigste am Schneiderberuf ist
dass man besonders wählerisch
bei der Wahl seiner Kunden verfährt
Ein guter Schneider bekleidet vor allem jene
die nichts oder nichts Passendes zum Anziehen
Haben
Ein schlechter Schneider schert sich darum nicht
Er schneidet für die Modeschau
und er schneidet ohne zu vermessen
und bloß nach seinem eigenen Geschmack

Text und Foto von Kamil Tybel, 15. Nov’18

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