Der Zerrspiegel des SPIEGEL

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Wie herrlich einfach und prägnant erklärt uns Spiegel-Autor Hasnain Kazim in seinem Artikel (http://www.spiegel.de/…/zustrom-von-fluechtlingen-was-deuts…), dass die (west-)deutsche Gesellschaft zunächst nach dem II. Weltkrieg unzählige Nazis und Millionen Mitläufer integriert und schließlich nach der Wende auch noch dasselbe mit unzähligen SED-Funktionären, Stasi-Spitzeln und erneut Millionen „Mitläufern“ geschafft habe. Angesicht dessen, schlussfolgert der Journalist in seinem denkbar kurzen Kommentar, dürfte dieselbe Praxis doch nun auch bei dem aktuellen Zustrom von Flüchtlingen, inklusive ein paar „Extremisten“ möglich sein. Welch beeindruckend simples Welt- und Geschichtsverständnis: die „bürgerlich-demokratischen Werte“ sind der Schlüssel zu jeglicher Form von Integration!

Auf den absurden Vergleich von Nazis, SED- Funktionären und islamischen „Extremisten“ soll hier nicht weiter eingegangen werden, wobei die Gleichsetzung der DDR-Bürger mit denen zu Zeiten des Nazi-Regimes an schockierendem Geschichtsunverständnis kaum zu übertreffen ist.

spiegel.jpgDie Argumentation des Autors ist letztlich die gleiche, wie die seines Kollegen Georg Diez (der hier aber auch nur exemplarisch für die generelle Ansicht des SPIEGEL steht). Dieser bemängelte einst in seiner Kolumne, angesichts des feigen Anschlags eines in Bonn (!) geborenen Mannes auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin, die nicht vollendete Integration der ehem. DDR-Bürger in unsere „westliche Wertegemeinschaft“ (http://www.spiegel.de/…/terror-von-rechts-pegida-und-die-fo…). Auch wenn der Autor des vorliegenden Artikels eben jene Integration scheinbar als erfolgreich betrachtet, ist die Lösung für beide die gleiche: die „guten Demokraten“, die bürgerliche Mitte, müssten zusammenstehen und den Ankommenden, bzw. auch den bereits Anwesenden, (noch) besser unsere „Werte“ beibringen.
Erkennen die werten Spiegel-Journalisten denn wirklich nicht, dass Integration in „westliche Werte“ nichts anderes heißt, als jeden Menschen in den allgegenwärtigen Wettbewerb um Arbeitsplätze, Sozialleistungen, materiellen Wohlstand, Anerkennung, ja bis hin zur Existenz, zu „integrieren“?

Es ist doch nicht Solidarität, sondern die heilige Privatautonomie, mit der die Marktwirtschaft wie mit einem siamesischen Zwilling verbunden ist – ganz nach dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“. Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, den Wurf in den Löwenkäfig kapitalistischer Wettbewerbslogik mit dem Wort „Integration“ zu beschreiben.

Sind die Herren vom Spiegel tatsächlich so kurzsichtig, um nicht zu erkennen, dass es eben dieses Konkurrenzdenken (für das wiederum „Wettbewerb“ nur eine beschönigende Umschreibung darstellt) ist, welches die Kriege um Rohstoffe und Absatzmärkte, die enorme Ungleichheit auf der Welt, kurz die Fluchtursachen, überhaupt erst verursacht? Sehen sie keinen Zusammenhang zwischen der Desillusion und Perspektivlosigkeit der immer größer werdenden Schar an „Verlierern“ in dem so hoch gelobten Wettbewerb und dem stetigen Anwachsen fremdenfeindlichen Gedankenguts, der Zunahme rassistischer Gewalt?

Liebe Spiegel-Journalisten, nicht die Integration in unsere jetzigen, bürgerlich-demokratischen „Werte“, sondern die Hinterfragung dieser Werte ist das, was aktuell fehlt!

Von Daniel Polzin

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Für ausführlichere Darstellungen des Flüchtlingsthemas und dem Wesen unseres jetzigen Wirtschaftssystems, verweise ich auf bisherige Texte von uns:
Wegmarken für linke Politik in der Flüchtlingskatastrophe: http://nous-online.net/…/zur-fluechtlingskatastrophe-wegma…/
Ökonomie (be)trifft jeden:
http://nous-online.net/…/oekonomie-betrifft-jeden-entweder…/

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