1
Lesbos, leblos
stranden Menschen, einst waren sie heile.
Lesbos, Eros,
Amor schick uns deine Pfeile!
Lesbos, warte noch,
unsre Ignoranz dauert bestimmt nur noch ne Weile.
Lesbos, denn versteh doch,
uns beschäftigen grad andere Keile.
Restlos, Lesbos,
schäme ich mich für meine letzten Zeilen:
Man gedenkt vielleicht noch an Lesbos,
doch schon bald vergessen, durch neue Leiden.
2
Auf Lampedusa versteinert uns Medusa,
ein Schrecken vor vergessener Erinnerung.
Noch immer stranden Tote auf Lampedusa,
bloß jetzt bei schlechtrer Witterung.
Rechtsruck, Ha! Dass ich nicht lache,
„Unser Heil“ hieß schon immer „mein Anteil!“
Täglich stehen Menschen seit Jahren Wache,
Frontex, Bewahrer vor ausländischem Unheil.
„Es sind ja nur Diebe!“, sagt die Diebesbande,
denn ja unser Profit wächst aus deren Leid.
Rechtsruck, Ha! Was für eine heuchlerische Schande,
Rechtsruck; ja, das geht mir zu weit.
Gleichwohl es gelten Hochachtungswürden
für all die Helfer weit und breit,
doch auch sie werden manchmal müd und mürbe;
was tun? Es vergeht kostbare Zeit.
Ich schau nach links, rechts, vorn und hinten,
vielerorts häuft sich Überfluss.
Die Einen ersaufen, die Andern trinken
auf ihr Wohl; Champagner, welch ein Genuss.
Rechtsruck, tja, es zeigt sich unser Gesicht
erst in der „Not“ in voller Blüte.
Auch wenn nun häufiger ein böß Wort entwicht,
gleich bleibt unsre mitmenschliche Güte.
Und der, der diesen Spiegel malt,
hat auch nie viel für Spenden gezahlt,
war nie vor Lesbos und Lampedusa schwimmen;
nein, auch er kann nicht dem Spiegel entrinnen.
Also verdammt, wachen wir auf aus unsrer Selbstgefälligkeit!
Auf zur Tat!
Gib mir die Hand, wir beginnen den Wandel zu Zweit.
Es ist gewagt!
Doch es wird niemals das Leid verschwinden,
wenn wir nur darauf aus sind, dass wir gewinnen.
Von Andreas Bill