Die wohl aufsehenerregendste Nachricht wurde Ende letzter Woche verkündet: die griechische Regierung verschickt eine Reformliste an Brüssel und sichert gleichzeitig zu, alle Gläubiger befriedigen zu wollen. Doch was bedeutet das wirklich?
Syrizas monumentale Wahlversprechen lassen sich im Groben und Ganzen auf drei hintereinander stehende und voneinander abhängige Wälle brechen, die Tsiparis zunächst geschickt lanciert hat:
1. Schuldenschnitt,
2. Abschaffung der Memorandumspolitik, wonach das Memorandum (Empfehlung/Stellungnahme) der Troika Grundlage aller Kreditprogramme und Verhandlungen ist und
3. Substanzielle Expansion von Sozialleistungen und Wiedereinstellung zahlreicher Beamten, kurz, Revision austeritätsbedingter Reformen der Vorgängerregierung.
Vom Schuldenschnitt ist seit dem Wahlerfolg der Syriza schon lange keine Rede mehr. Schade! Die Abschaffung der Memo-Politik begann mit einem Affront, indem Eurogruppenchef und Verhandlungsführer Dijsselbloem aus Athen verjagt wurde. Famos! Die Revision austeritätsbedingter Reformen bleibt noch aus und hängt mehr oder weniger vom 2. Punkt ab. Und da kommt die Reformliste ins Spiel!
Politisch ist sie die Beugung vor der Macht der Troika. (Die Troika mag sich nun verklärend „Institutionen“ nennen, was charakteristisch für die herrschende politische Kultur ist, die zunächst immer mit der Rationalisierung der Sprache antwortet, mit sachlichen Worten, um Gerechtigkeitsfragen zu verwischen, da sie sie sprachlich entwertet, wertfrei macht, aber das ändert nichts am Bestehen der Troika.) Denn sie wirft Griechenland zurück in die Rolle des Bittstellers. Eine auf Augenhöhe führende Verhandlung als Souverän ist nicht möglich über den Umweg der Troika (Warum ist nicht ein Ausschuss des demokratisch legitimierten EU-Parlaments Verhandlungsführer?). Die Reformliste ist vielmehr die Strafaufgabe eines missratenen Schülers, die der Lehrer, in dem Fall die Troika samt Schäuble, mit Häckchen und Kreuzchen korrigiert. Sie ist ein Armutszeugnis. Wie auch immer die Reformliste stilisiert wird, sie ist die Unterwerfung des Gesetzes der Demokratie unter der Gesetzlosigkeit des Marktes – eine Kategorie der marktkonformen, bestochenen und bestechlichen Demokratie. Letztlich war und bleibt die Troika – ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium aus Technokraten und Finanzspezialisten – der eigentliche Bulle im Stall! Sie hat das Spiel mit der Syriza geschäftlich gewonnen. Deutschland und Schäuble ist das recht. Denn schließlich profitieren sie von diesem Geschäft. Die deutschen Kreditinstitute gehören zu den größten privaten Gläubigern Griechenlands. Eine Ode unseres wettbewerbsgierigen Europas!
Mit der Reformliste hat sich Syriza vor dem europäischen Kapital gebeugt. Vielleicht wird sie das, aus pragmatischen Gründen und Sachzwängen, aus alternativer Alternativlosigkeit versteht sich, auch vor dem griechischen Kapital tun. Wie dem auch sei, die Syriza war zunächst eine schrittweise Entwicklung hin zur Veränderung des europäischen Hauses und der politischen Kultur in Europa insgesamt. Ein Stück Glaubwürdigkeit hat sie mit der Reformliste nun verloren. Zumindest ist ihre Strategie fehlgeschlagen. Die bürgerlichen Zeitungen sprachen von Radikalen, weil sie eben jene Veränderung fürchteten, die den Massen das Wort erteilt und nicht den Finanzspezialisten. Ihre Furcht ist wohl vorerst beruhigt. Die Syriza ist jetzt allenfalls eine gemäßigte Radikale, also ein erpresster Opportunist. Vielleicht hat die EU Syriza (zunächst) entradikalisiert und vielleicht ist die EU unter den diktierten Spielregeln der Finanzmärkte nicht zu verändern, da die EU selbst ein Spielmittel der Finanzmärkte ist. Vielleicht behalten am Ende die griechischen Kommunisten Recht mit ihrer kategorischen Ablehnung einer Zusammenarbeit mit Syriza, dass sie damit begründen, dass Syriza nur eine „linke Reserveregierung des Kapitalismus“ sei, die einspringt, wenn die Liberalen die Gemüter zu sehr strapaziert haben.
Syriza will nun ihrem Engpass aus der Korruptionsbekämpfung und der Besteuerung von Reichen entgehen, wobei das zweite mit dem ersten verquickt ist. Ob das gelingen wird, bleibt abzuwarten. Schon viele Regierungen nahmen sich vor gegen parasitäre Strukturen im Staat zu kämpfen und wurden am Ende selbst parasitär. Und die Asozialen finden kraft ihres Vermögens stets Schleusen für ihr Vermögen.
Halten wir fest: Letztlich heißt Befriedigung aller Gläubiger, Befriedigung aller Banken, also Befriedigung der Krisenmacher und die Unbefriedigtheit von rund 60% der Zukunft Griechenlands, der Zorn von 60% Jugendarbeitslosen.