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Die freie Form des Schreibens ist das Essay – entgegen der landläufigen Illusion, das Gedicht oder eine Erzählung sei freier. Ein gutes Essay ist ein Späher im klassischen Sinn des Wortes. Es erkundet unbekanntes Terrain, damit die Nachhut folgen kann, ohne sich zu verirren oder zu verlaufen. Ein Späher ist kein Wegweiser, was vielmehr der Feldherr ist, sondern ein Wegbereiter. “An allem ist zu zweifeln” – davon lässt sich das Essay leiten und daher sucht es zielsicher das Ziellose. Wichtig ist das, was das Essay in seinem Gang hinter sich lässt: umgestülpte Erde, das besät werden will. Ein Essayist verlässt die Städte mit einem Pflug in der Hand.

Ein Essay ist frei und befreit, es ist lebendig und belebend, es ist entgrenzend und grenzenlos. Wer ein Essay schreibt, wagt etwas: er sieht ab von seinen Vorurteilen und misstraut dem Bereich des Gewohnten und Bekannten. Er will, dass seine Kenntnis Erkenntnis werde. Daher ist jedes Wort ein Wagnis, ein Tasten ins Leere, ein Aufsuchen der Abhänge, ein Purzeln im Nebel, ein Tanzen im Schnee, das Pflücken von Gänseblumen an Klippen. Nicht um einer strengen Beweisführung Willen schreibt ein Essayist, sondern um des Einfangens eines Lichtblicks in tiefster Nacht. Denn Licht gibt es nicht nur bei Tag.


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