Der Bänker und der Bettler

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Ein großer Mann im Anzug geht
Aus der Bank mit all dem Zaster,
Mit dem er stets am Rädchen dreht,
Schnell verdrängt er seine Laster.
Und sobald er die Chance erhält,
Aufzusteigen im Beruf,
Für mehr Prestige und noch mehr Geld,
Gerät das Miteinander in Verruf.
Sein größtes Gut wird sein Besitz.
Und das Leben nur ein Witz.

Besser als der andre sein,
Größere Klunker, schickeres Haus.
Meint: „Ja, das Leben ist so fein“,
Aber fährt den Ellenbogen raus,
Setzt noch hinterher mit Tritten,
Verschleudert so seine Zeit,
Genießt die Fahrt im schnellen Schlitten,
Die nächste Erhöhung ist nicht weit:
Von der sich dann der andere stürzt,

Indessen er die Lippen schürzt.
Und während sein Mitgefühl verkümmert,
Steigt der Haufen auf dem Konto.
Empathie ist bald zertrümmert;
„Mehr Champagner, aber Pronto“.
Dann kommt er zur Tür herein,
Grüßt die Frau und geht ins Bett,
So sind sie zusamm‘ allein,
Dabei könnt er sein so nett.
Doch sein Geist ist voll von Geld,
Das die Beziehung ihm entstellt.

Aber der Bettler vor der Bank, der fühlt
Noch echte Freude über Brot.
Seine Finger sind zwar unterkühlt,
Doch es hilft ihm aus der Not.
Und wenn der Mann im Anzug kommt,
Steigt die Hoffnung auf’s nächste Mahl.
Aber statt einer Einladung bekommt er prompt:
Einen kalten Blick aus Stahl.

Ihm bleibt jetzt nur darauf zu warten,
Dass ein andrer hat Erbarmen.
Trotzdem ist der Bettler nicht gekränkt,
Denn er weiß; des Bänkers Herz in Teer getränkt.
Geld: das gibt’s genug auf dieser Welt,
Doch sind’s nur ein paar, die es in Händen hält.
Würd’ man es gerecht verteilen,
Müsst der Bettler nicht im Kalten weilen
Und der Bänker wär wahrscheinlich,
Ein netter Mensch und nicht so peinlich.

Gedicht und Foto von Lukas Schepers, 6.Dezember’16


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