Funktion des Gewissens

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Manchmal, da frage ich mich ernstlich,
Wofür hat ein Mensch ein Gewissen?
Produziert der begüterte Mensch es für sich,
Um seine Missetaten zu verbergen beflissen?

Oder ist das Gewissen ein universaler Bußrichter,
Der den unverschuldet Lasterhaften permanent an den Kragen geht,
Mit Fingerzeig ein lästiger Fehltritt-Berichter
Und mit abstraktem Moralgesetz behänd über allem steht?

Es heißt: Schuld schärft das Bewusstsein des Täters,
Durchpumpt seine Hirnwindungen reichlich mit Sauerstoff,
Um vorzubereiten seine einfallsreiche Apologie gegen die Kläger.
Da frage ich mich: hat das Gewissen nicht im Schlächter seinen Nährstoff?

Oft scheint mir, diese Funktion, Verantwortlichkeit zu verbarrikadieren,
Übernimmt das schuldvertilgende Gewissen mit seinem Geschwätz,
Um die Schuld der Verantwortlichen zu annullieren,
Damit die Hungernden verstummen im vertrackten Sittennetz.

Freilich, es ist ein merkwürdiges Ding,
Was es mit dem Gewissen so auf sich hat.
Einige sagen, es sei wie ein engsitzender Ehering,
Der dem bejahrten Freier zeigt, was er tun soll,
Aber nicht verhindert, was er doch tat.
Aber ich denke, das Gewissen ist origineller Täterrat,
Zu tun, was man will, auch wenn man mal nicht soll.

Nun: was ist das Gewissen von Beruf?
Es ist ein betonköpfiger Maurer,
Der mit hohen Mauern schützen soll gegen Verruf.
Weiter nichts –
Als schützen soll den altbekannten guten Ruf
Mit kreativen Lügen des ignoranten Ichs.
Weiter ist es nichts!

Von Mesut Bayraktar, 10.Mai’16



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