Ökonomie (be)trifft Jeden: Entweder wir ändern die Welt oder die Welt verändert uns

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12081326_1211716665520894_282655259_nIn den vergangenen zwei Wochen trafen sich beim UN-Gipfel die Verantwortlichen der wirtschaftlich wie politisch führenden Nationen, um zu globalen Fragen ihr Statement abzugeben. Diskussionen fanden leider wie immer hinter verschlossenen Türen statt. Diese Welt-Fragen lassen sich auf zwei Punkte zusammenfassen, nämlich die Zerstörung der Lebensräume einzelner Menschen (sei es kriegerisch oder ökonomisch bedingt, wobei kriegerische Mittel offenbare Mittel verdeckter, also ökonomischer Mittel sind) sowie die Zerstörung der Lebensräume aller Menschen: der globalen Umweltverschmutzung und Erwärmung.

Man ist sich einig: eine nachhaltigere Ökonomie muss das erklärte Ziel aller Bewohner auf unserem Planeten sein. Die gängigen Instrumente dazu sind lasche Regelungen, an die sich nur wenige und weniger Produktionsstarke, also weniger bedeutende Produktionsnationen (und somit CO2-Emittenten) halten. Vergeblich hofft man auf ein globales Einlenken und einen globalen Beschluss, sich an, in UN-Klimakonferenzen formulierte Ziele zu halten, weil Unternehmen und Staaten im globalen Konkurrenzkampf der kapitalistischen Produktion dazu gezwungen sind, immer billiger zu produzieren, wobei Umweltschutzregeln nur Hindernisse darstellen. Einem globalen Konsens, um die gemeinsame Einsicht der Notwendigkeit von Nachhaltigkeit zu verwirklichen, steht eine weitere Einsicht entgegen, Wirtschaftswachstum für die eigene Nation zu generieren und damit folgerichtig die Beschränkungen nicht einzuhalten. Der Opportunist gewinnt und niemand verliert gerne.

Die nächste Konferenz findet im Dezember in Paris statt und wird als bedeutendes Treffen angepriesen, welches den Grundstein für umfangreiche Verbesserungen für die Umwelt legen soll, da dort das Kyoto-Protokoll, auf dem alle nachfolgenden Konferenzen basierten, substantiell ergänzt werden soll. Natürlich stirbt die Hoffnung zuletzt, doch angesichts zweier bedenklicher Kernpunkte schrumpft besagte Hoffnung auf ein (offensichtlich bequemes) Minimum:

1) die UN erscheint für viele Nationen eher als ein netter Verein, anstatt einer bedeutenden Vereinigung (wie die Ignoranz und gar Erhabenheit der Mitglieds-Regierungschefs gegenüber der in der UN getroffenen Absprachen zeigt. Absprachen, die durch meist identische Regierungschefs getroffen, um anschließend ignoriert oder gar gebrochen zu werden, wie jüngst der Irakkrieg und sein Erbe, der Syrienkrieg / die Kyoto-Protokolle / steigende Umweltverschmutzung und -erwärmung etc.)

2) es besteht ein Widerspruch im Denken der Herrschenden vieler Nationen, der hauptsächlich auf dem ökonomischen Widerspruch fußt, die kapitalistische Produktionsweise mit der Bekämpfung globaler Umweltprobleme zu verbinden. Dieser Widerspruch drückt sich im Glauben aus, wirtschaftliches Wachstum und die Bekämpfung globale Veränderung harmoniere und – noch besser – bedinge sogar einander. Gerne wird hierzu auf Statistiken verwiesen, die für Industrienationen einen Rückgang der Umweltverschmutzung ab einem gewissen BIP-Niveau darstellen (bei vorausgegangenem Anstieg) und sich somit vielversprechende Parabeln ergeben. „Der technologische Fortschritt wird uns alle retten, also lasst uns nur weiter investieren und wachsen, wachsen, wachsen!“

Diese einfältige Behauptung übersieht die Auswirkungen des Wachstums von Industriestaaten auf Entwicklungsländer. Denn steigt das BIP in Deutschland oder Japan im Zuge von beispielsweise mehr hergestellten Autos, so werden diese insofern in den hiesigen Ländern produziert (denn meist wird nur die finale Zusammenführung der einzelnen Komponenten in den Heimatländern stattfinden) zumeist ins Ausland exportiert. Dies bedeutet, dass in Entwicklungsländern, die zuvor wenige Automobile nutzten, durch die gewonnene Kaufkraft beginnen ebenfalls Automobile zu erwerben und zu nutzen, was die Anzahl der Fahrzeuge und somit den CO2-Ausstoß natürlich im Zuge der höheren Menge an Wagen erhöht. Technologische Entwicklung kann angesichts der erhöhten Belastung der Umwelt hier exemplarisch nicht als Ausgleichskraft angesehen werden.

Dem aufmerksamen Lesen wird die Frage aufgekommen sein, wie Entwicklungsländer plötzlich an die Mittel gekommen sind, sich ebenfalls – hier erneut als exemplarisches Beispiel – Automobile zu leisten. Dies liegt an der Produktivität, die solche Länder etablierten Milliardenunternehmen anbieten, wodurch eben diese Unternehmen ihre Produktion ins Ausland „outsourcen“, also verlagern. Es erhalten also Arbeiter in Entwicklungsländern – wenn auch im weitaus geringerem  Ausmaß – den Lohn für die Produktion von (exemplarisch) Autoteilen. Produktiv, weil günstig; günstig, weil elendig; elendig, weil hilflos. Bedenkt man also, wer zunehmend die heutigen Produktionsstätten der Welt sind (China, Indien, Brasilien, Indonesien) und nimmt man sich die Umweltveränderung in besagten Ländern als Betrachtungsgröße hinzu, so sieht man, dass sich in diesen Ländern in den vergangenen 20 Jahren die Umwelt drastisch verschlechtert hat und eine Betrachtung allein von entwickelten Ländern das Ziel verfehlt. Die finale Bestandsgröße sieht heute wie folgt aus, mit steigender Tendenz:

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Betrachtet man die Produktion nun als allgemeine Produktion, so erschließt sich der Gedanke, dass diese Produktion in Entwicklungsländern eine ausreichende Energieversorgung und Urbanisierung benötigt, was zusätzlich zum massiven Verbrauch entwickelter Länder zu weiteren immensen Umweltzerstörungen führt. Dies macht die Bedeutung der gepriesenen, allein technikgläubigen Parabel zunichte.

Nüchtern kann festgestellt werden, dass sich etwas verändern muss – grundsätzlich.

Abmachungen im Rahmen einer mächtig wirkenden, doch ihre Wirkung verfehlenden Vereinigung erscheinen dazu nur als trostloser Hoffnungsschimmer. Es gilt, grundsätzlicher umzudenken und zu hinterfragen, ob in einer konkurrierenden Gesellschaft (Individuen betrachten sich fatalerweise zunehmend sozial unabhängig), Ökonomie (z.B. mehr Verkaufen als die anderen, denn das bedeutet mehr Profit) sowie Politik (Nationalismus gegen Internationalismus) und endlich eine öffentliche Diskussion über Alternativen zu beginnen. Wir können die globale Erwärmung aufhalten – doch das ist nicht profitabel. Wir könnten technologisch und logistisch alle Menschen auf der Welt mit genug Essen versorgen und somit täglich 25.000 Menschen vor dem Tod retten – doch wir wollen das nicht, denn das ist nicht profitabel. Wir könnten moralische Werte, die sich so gut anfühlen und überzeugend sind als unseren Kompass nutzen, doch es dominiert nur ein Wert – der Wert des Geldes.

Wir sollten endlich anfangen unsere größte Krise zu überwinden, eine Krise der Vorstellungskraft! Denn wenn wir uns umsehen, müssen wir erkennen, nicht wir haben unsere Geschichte in unserer Hand, sondern die Geschichte uns. Die Krise der Vorstellungskraft wird solange andauern, solange wir unsere Geschichte nicht in unsere Hand nehmen und die Verselbstständigung der Geschichte, die sich unserer Hand permanent entzieht, mit unserer gemeinsamen Selbstständigkeit brechen. Es ist längst die Zeit gekommen für eine offene und öffentliche Diskussion über die Grenzen des Kapitalismus, also der kapitalistischen Produktionsweise hinaus!

Von Andreas Bill

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